
Telefonseelsorge Graz: Hilfe suchen und Gemeinschaft stärken
Nach dem tödlichen Attentat am 10. Juni in Graz rät die Telefonseelsorge, psychische Reaktionen ernst zu nehmen und sich frühzeitig Hilfe zu suchen. "Es ist wichtig, dass Menschen in so einer Ausnahmesituation über das sprechen, was sie bewegt", sagte Daniela Bauer, Leiterin der Telefonseelsorge der Diözese Graz-Seckau, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress. Die Erfahrung habe gezeigt, dass psychische Belastungserleben breit gestreut seien und von unmittelbarer Betroffenheit über stille Anteilnahme bis zu zeitversetzten Reaktionen reichten - unabhängig davon, ob man direkt betroffen sei oder nicht, informierte Bauer mit Verweis auf die Amokfahrt in Graz im Jahr 2015.
Schon wenige Stunden nach Bekanntwerden der Tat sei der erste Nachtdienst intensiv gewesen - mit Anrufen von Einsatzkräften sowie Privatpersonen, die nicht wussten, wohin mit ihren Emotionen. "Die Erfahrung, jemandem erzählen zu können, was einen erschüttert hat, ist heilsam, gerade, wenn man selbst nichts an der Situation ändern kann."
Die Telefonseelsorge steht anonym und rund um die Uhr unter der Nummer 142 zur Verfügung - auch online via Chat. "Es tut gut, einfach zu erzählen", so Bauer. Auch Einsatzkräfte nutzen das Angebot. "Im Moment des Einsatzes müssen sie funktionieren, aber danach kommen oft schlaflose Nächte." Auch Tage nach dem Ereignis stehe die Telefonseelsorge per Telefon unter der Nummer 142 oder via Chat für Menschen und ihre Reaktionen bereit - besonders für jene, die selbst bereits psychische Belastungen oder Traumata erlebt hätten, informierte die Leiterin der Telefonseelsorge Graz.
Bauer betonte, wie wichtig es ist, dem eigenen Empfinden zu folgen: "Ob man zur Ruhe kommt beim Spazieren, Eis essen, im Gottesdienst oder im Gespräch mit einer Freundin. Alles, was einem jetzt guttut, ist richtig." Besonders Menschen, die Verantwortung für andere tragen - wie Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen oder Pflegende - sollten gut auf sich selbst achten, um stabil bleiben zu können. "Solidarität heißt nicht, sich selbst zu vergessen", so die Telefonseelsorgerin.
Zurückhaltung in Täterberichterstattung
Zum Umgang mit der Tat rät Bauer Medien zur Zurückhaltung in der Täterberichterstattung. "Diese Tat ist geschehen. Jetzt ist entscheidend, wie wir damit leben. Es bringt wenig, sich im Täter zu verlieren. Der Fokus muss darauf liegen, wie wir uns gegenseitig stärken."
Gerade jetzt brauche es das Vertrauen in die Kraft der Gemeinschaft. Kundgebungen, stille Zeichen, Blutspenden oder einfach ein gutes Wort würden helfen, das Gefühl der Ohnmacht zu überwinden. Denn: "Das Leben geht trotz allem weiter", so Bauer. Dabei sei es auch nicht zynisch, wenn junge Menschen nach bestandener Matura feiern oder die bereits bezahlten Karten für Fußballspiele oder Festivals einlösen würden. Im Gegenteil: "Es ist ein Ausdruck von Lebenskraft, und auch dort kann es Momente des Miteinanders geben", meinte Bauer: "Wir dürfen das Schreckliche benennen und gleichzeitig darauf vertrauen, dass der Mensch auch zu viel Gutem fähig ist."
Beratung für Jugendliche in seelischen Krisen
Jugendliche wie Erwachsene erreichen die Telefonseelsorge per WhatsApp, per Mail, Chat und am Telefon, wies die Telefonseelsorge Oberösterreich in einer Aussendung am Mittwoch hin. Ratsuchende können sich über die Nummer 0660 1420142 oder über die Website der Telefonseelsorge https://chat.onlineberatung-telefonseelsorge.at bei den Beratern melden. Es sei auch möglich, Sprachnachrichten zu senden, so die Telefonseelsorge Oberösterreich. Die Telefonseelsorge der Erzdiözese Salzburg bietet eine Hotline für Kinder zwischen 6 und 11 Jahren an, die "Kids-Line". Sie ist täglich von 13 bis 21 Uhr unter der Nummer 0800/234 123 sowie per Chat und E-Mail erreichbar (www.kids-line.at).
Ohnmacht und Hilflosigkeit würden in Krisen nicht nur direkt Betroffene verspüren, sondern auch Eltern: "Was, wenn das mein Kind gewesen wäre? Jugendliche haben vielleicht Angst davor, dass etwas Ähnliches in ihrer Schule passieren könnte. Lehrende und Schulleitung fragen sich möglicherweise: Wie kann ich so etwas an meiner Schule verhindern?", zählte Silvia Breitwieser, Leiterin der Telefonseelsorge OÖ, einige Fragen auf.
"Junge Menschen wissen oft nicht, an wen sie sich mit ihren Sorgen und Nöten wenden können. Sie wollen Eltern und Freund:innen nicht belasten oder fühlen sich einsam und unverstanden. Aber auch Eltern oder Lehrende fühlen sich in einer solchen Situation überfordert", so Breitwieser über häufige Themen.
Das Angebot der Telefonseelsorge richte sich an Erwachsene aller Altersstufen genauso wie an Jugendliche, hieß es. Unter dem Motto "Sorgen kann man teilen" wolle man Ratsuchende "ein menschliches Gegenüber" bieten sowie beim "Sich-Sortieren" unterstützen und nächste Handlungsschritte suchen.